Heiligen Bonifatius
Bonifatius † 1250 Jahre
Am 5. Juni 2004 jährte sich zum 1250.mal der Todestag des hl. Bonifatius. Dies war Anlass für eine kurze Betrachtung der historischen und kirchlichen Bedeutung des überlieferten Begründers der Stadt Fritzlar.
Die Informationen über das Leben des hl. Bonifatius sind so umfangreich, wie über kaum eine andere Persönlichkeit des Frühmittelalters. Bereits zu Lebzeiten des späteren Heiligen legte sein Schüler Lullus eine Sammlung von ca. 100 Briefen an, die später noch umfangreicher wurde.
Lullus wurde im Jahr 752 Nachfolger des Bonifatius, als Bischof von Mainz und beauftragte den Presbyter Willibald mit der Niederschrift einer ersten Biographie des Missionars. Diese "Vita Bonifatii auctore Willibaldo" läßt interpretierbare Zeitangaben allerdings erst ab dem Jahr 716 zu.
Dennoch läßt sich aus den vorhandenen Quellen vieles aus dem frühen Leben des Bonifatius erschließen : So wurde er zwischen den Jahren 672 und spätestens 675, im angelsächsischen Teil Britanniens, geboren. Ein - aus dem 14. Jahrhundert stammendes - liturgisches Buch der Kirche von Exeter nennt Crediodunum (Crediton), ca. 30 km nordwestlich von Exeter gelegen, als seinen Geburtsort.
Wynfreth nannten seine Eltern den Knaben und gaben ihn siebenjährig in das Benediktinerkloster Exeter. Dort erhielt Winfried seine klösterliche Ausbildung und Erziehung, bis er später in das, nahe Southampton gelegene, Kloster Nhutscelle (Nursling) überwechselte. Dort dürfte er zwischen den Jahren 702 und 705 seine Priesterweihe erhalten haben. Später wurde er Leiter der Klosterschule und verfaßte u.a. eine Grammatik, eine Metrik sowie mehrere Dichtungen.
Bereits über 40jährig, beschloß Winfried das klösterliche Leben aufzugeben und zog, mit einer kleinen Gruppe Begleitern, von Britannien nach Friesland. Die Friesen lieferten sich zu diesem Zeitpunkt jedoch einen erbitterten Krieg mit den Franken. So scheiterte die Mission und Winfried kehrte zunächst in das Kloster Nursling zurück, wo man ihn im folgenden Jahr zum Abt wählte.
Der Bischof von Winchester ließ Winfried, wohl auf dessen Bitten, als Abt durch einen Nachfolger ablösen. Im Jahr 718 reiste Winfried zum zweiten Mal auf das Festland und diesmal hatte er ein Empfehlungsschreiben des Bischofs, an alle weltlichen und geistlichen Autoritäten, mit auf der Reise.
Zunächst führte Winfried's Weg nach Rom, wo er am 15. Mai 719 durch Papst Gregor II. Missionsvollmacht erhielt. Mit dem Sendungsschreiben benannte der Papst seinen "conminister" nach dem römischen Heiligen des 14. Mai, dem Märtyrer Bonifatius von Taurus. Winfried nahm diesen neuen Namen an und nannte sich ab diesem Zeitpunkt - bis auf wenige Ausnahmen - Bonifatius.
Von Rom aus begab er sich zunächst nach Thüringen, welches seit der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts zum fränkischen Einflussbereich gehörte und schon deutliche Christianisierungsspuren zeigte. 719 ging Bonifatius als Mitarbeiter Willibrords nach Friesland, wo er bis 721 blieb um sich dann selbstständig dem Gebiet des heutigen Hessen zuzuwenden. Dies ist als der eigentliche Beginn der bonifatianischen Mission zu bezeichnen und auf das allerengste mit der Geschichte der Stadt Fritzlar verbunden.
Von Echternach kommend, erreichte Bonifatius zunächst Amöneburg; Der Ort war ein befestigter fränkischer Stützpunkt und als Verwaltern begegnet er dort den Brüdern Dettic und Deorulf. Diese waren bereits getauft, aber ihre Religiosität stellte sich als - wohl zeittypische - Mischform frühchristlichen Glaubens und altgermanischer Naturreligion heraus.
Es gelang Bonifatius die Grundherren für sein Vorhaben zu gewinnen und so entstand die erste Benediktinerniederlassung in Hessen. Um die Jahreswende 721/22 zog Bonifatius weiter in die Nähe der Sachsengrenze, also auch in den Raum Fritzlar-Büraburg, um sich der eigentlichen "Heidenmission" zu widmen. Der Presbyter Willibald schreibt von Tausenden, die sich taufen ließen.
Aus dem gescheiterten Missionsversuch des Jahres 716 hatte Bonifatius die Lehre gezogen, in Zukunft besser den kirchlichen und politischen Machtverhältnissen Rechnung zu tragen. So suchte er den Rückhalt beim Papsttum sowie die Unterstützung der politischen Herrscher des Frankenreiches. Vor allem hatte Bonifatius erkannt, dass der Missionierung der Aufbau einer Kirchenorganisation folgen musste.
Im Herbst 722 machte er sich auf den Weg nach Rom und wurde durch den Papst zum Missionsbischof geweiht, Sein Wirkungsfeld blieb ohne feste Abgrenzung und umfasste grosse Gebiete der heutigen Bundesländer Bayern, Hessen und Thüringen. Von Papst Gregor II. erhielt Bonifatius weiterhin drei Empfehlungsschreiben. Ein allgemeiner Geleitbrief forderte Kleriker und Laien zur Unterstützung des Missionsbischofs auf. Ein weiteres Schreiben, mit der gleichen Bitte, war an fünf thüringische Adlige gerichtet.
Das dritte und wichtigste Dokument war für den eigentlichen Herrscher des fränkischen Reiches, den Hausmeier Karl Martell, bestimmt. Dieser ließ Anfang 723 einen Geleitbrief für Bonifatius ausfertigen, welcher alle Bischöfe, Herzöge und Grafen von der Autorisierung der Bonifatiusmission, durch den Papst und die fränkische Staatsgewalt, in Kenntnis setzte. In dieser Unterstützung begründet sich vor allem der dauerhafte Erfolg der angelsächsischen Missionierung, im Gegensatz zu der vorausgegangenen iroschottischen Christianisierung.
Mit einem markanten Ereignis begann, im Herbst des Jahres 723, die Fortführung der bonifatianischen Mission im Raum Fritzlar. Seit spätmerowingischer Zeit befand sich auf dem Büraberg eine ca. 8 ha umfassende fränkische Festungsanlage, die Büraburg. Ihre Hauptaufgabe bestand in der militärischen Absicherung der Nordgrenze des ostfränkischen Reiches (Austrien), gegen die benachbarten Sachsen. Die Büraburg bot ideale Voraussetzungen für Bonifatius, denn neben dem Beistand der fränkischen Reichsmacht fand sich dort eine Saalkirche, die aus der Mitte des 7. Jahrhunderts stammende heutige Kapelle St. Brigida, an die sich eine Klosteranlage anschloss.
Von dem weiteren Geschehen, welches im Laufe der Zeit teilweise mit blühender Phantasie dargestellt wurde, berichtet der Presbyter Willibald in seiner "Vita Bonifatii": "...,in loco qui dicitur Gaesmere,...", also in der Gemarkung des heutigen Fritzlarer Ortteils Geismar, fällte Bonifatius das germanische Heiligtum in der Region, die als heiligen Baum verehrte Donareiche. Das über 7 ha umfassende Areal der damaligen Siedlung liegt südlich des heutigen Ortes Geismar und ist nur ca. 1,5 km vom Stadtkern Fritzlars und der Büraburg entfernt. Archäologische Untersuchungen, zwischen den Jahren 1973 und 1980, belegen eine kontinuierliche Besiedlung des Ortes, von der Völkerwanderungszeit bis zur Aufgabe der Siedlung im 12. Jahrhundert.
Die Fällung der Eiche demonstrierte eindrucksvoll die Überlegenheit des neuen Glaubens und das Versagen der alten Götter. In Folge dieses Ereignisses konnte sich der Schwerpunkt des bonifatianischen Werkes von der eigentlichen "Heidenmission" zum organisatorischen Aufbau einer römisch orientierten Kirche verlagern. So wird weiter berichtet, dass Bonifatius das Holz der Eiche zum Bau einer Kirche (oratorium) verwandte und diese, in Anlehnung an das Primat der "Cathedra Petri" Roms, dem Apostel Petrus weihte. Dies dürfte sich entweder gegen Ende des Jahres 723 oder zu Beginn des Jahres 724 ereignet haben. Heute verbindet man allgemein den Fritzlarer Dom St. Peter mit diesem ersten Kirchenbauwerk.
Neben der Kirche entstand ein kleines Benediktinerkloster und als "Bildungszentrum" eine Klosterschule. Erster Vorsteher wurde im Jahre 724 der angelsächsische Presbyter Wigbert, einer der Wegbegleiter des Bonifatius. Unter Wigberts Verantwortung (nun "magister" genannt) wurde die kleine Holzkirche, um das Jahr 732, durch einen ersten Steinbau ersetzt. Mit dieser Infrastruktur entwickelte sich Fritzlar / Büraberg zum Zentrum der römischen Kirche und des kanonischen Rechts für Hessen und Thüringen.
Bonifatius wurde im Jahr 732 durch Papst Gregor III. zum Erzbischof ernannt und erhielt somit das Recht, in seinem Missionsgebiet Bischöfe zu weihen. Während einer weiteren Romreise, in den Jahren 737/38, wurde der Missionar zum "Legatus Germanicus" erhoben. 741/42 begründete Bonifatius das Bistum Büraburg sowie die Bistümer Würzburg und Erfurt. Erster Bischof der Büraburgsdiözese wurde Witta, gleichfalls ein Landsmann von Bonifatius und die heutige Brigidenkirche diente als Kathedralkirche des Hessenbistums.
Die Gründungen der Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt waren Teil einer Kirchenreform, die Bonifatius mit den beiden karolingischen Hausmeiern, Karl Martells Söhnen Karlmann und Pippin III. dem Jüngeren, auf den Weg brachte. 743 oder 744 kam es zu einer entscheidenden Synode, dem "Concilium Germanicum" (Teilnehmer u.a. Bonifatius, Burkhard von Würzburg, Willibald von Erfurt und Witta von Büraburg), dessen Beschlüsse als verbindliche Reichsgesetze durch Karlmann verkündet wurden. Zu den Beschlüssen gehörte u.a. die Bestätigung des Bonifatius als Metropolit über die Bischöfe des fränkischen Reiches. Die Umsetzung der beschlossenen Reformen wurde mit den Synoden von Les Estinnes für Austrien (744) und Soissons für Neustrien (744) eingeleitet, erzeugten aber den erbitterten Widerstand des fränkischen Adels sowie Bischöfen wie Gewilib von Mainz und Milo von Trier.
Von Fritzlar-Büraburg ausgehend erfolgte dann die letzte bedeutende Gründung des Bonifatius in Hessen. In Zusammenarbeit mit dem aus dem Fritzlarer Kloster hervorgegangenen Sturmius, wurde 744 das Kloster Fulda gegründet.
Ebenso wie das fast gleichzeitig eingerichtete Bistum Erfurt, hatte das Bistum Büraburg nicht sehr lange Bestand. 746/748 wurde Bonifatius Erzbischof von Mainz und in Folge dessen wurden die beiden Bistümer immer mehr in die Mainzer Diözese eingebunden. Fritzlar behielt aber seine herausragende kirchliche Bedeutung für Niederhessen und blieb zunächst Chorbistum, bis allmählich das Fritzlarer Archidiakonat St. Peter, in weiten Teilen, die Nachfolge des Bistums Büraburg antrat.
Karlmann, nach seinem Vater der größte politische Förderer des Bonifatius, dankte im Jahre 747 als fränkischer Hausmeier ab und trat in das Kloster Monte Cassino ein, Pippin III. der Jüngere wurde nun Alleinherrscher im Frankenreich und der "Legatus Germanicus" verlor zunehmend an Einfluss.
751 wurde Pippin in Soisson zum ersten karolingischen König gewählt und eigentlich wäre die Salbung des Königs die Aufgabe des höchsten Kirchenvertreters des fränkischen Reiches gewesen. Bonifatius Mitwirkung an der Wahl und Salbung Pippins gilt aber in der jüngeren Forschung als höchst fragwürdig, da entsprechende Berichte erst in der Zeit Karls des Großen verfasst wurden.
Während Papst Stephan II. das Frankenreich besucht, unternimmt der ca. 80jährige Bonifatius eine erneute Friesenmission. Am 5. Juni 754 wird er - gemeinsam mit 50 Begleitern - von Einheimischen bei Dokkum erschlagen. Die Leiche des "Apostels der Deutschen", ein bereits im 16. Jahrhundert vorkommender Beiname für Bonifatius, wird nach Mainz überführt und findet im Kloster Fulda seine letzte Ruhestätte. (mo)
Aus einem Vortrag von Manfred Ochs, anläßlich des Bonifatiusjahres 2004, für die Internetseite der Stadt Fritzlar editiert
Quellen (Auszug): Reinhold Rau (Übers.), Briefe des Bonifatius - Willibalds Leben des Bonifatius nebst einigen zeitgenössischen Dokumenten (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 4b), Darmstadt 1994
Stefan Schipperges, Bonifatius ac socii eius. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des Winfrid- Bonifatius und seines Umfeldes. 1996. IX und 438 Seiten. ISBN 3-929135-11-6.
Lutz E. von Padberg, Heilige und Familie. Studien zur Bedeutung familiengebundener Aspekte in Viten des Verwandten- und Schülerkreises um Willibrord, Bonifatius und Liudger. 1. Aufl. Münster 1981, 2. Aufl. 1997. 230 Seiten. ISBN 3-929135-15-9.
Fotos und Bilder: 01 - Bonifatiusdenkmal, Stadt Fritzlar, 02 - Postkarte Fritzlar, ca. 1919, Privatbesitz, 03 und 06 - Bildausschnitt Cod. lit.1, fol.126, Bamberg, um 1000, 04 - Fällung der Donareiche, Hessische Landeschronik des Wiegang Gerstenberg, um 1500, 05 - Zeichnung Brigidenkirche, Büraberg